Interview: So holt Justus Steinfeldt den Orient zu uns

Im vergangenen Dezember ist der Fotograf nach Israel gereist und hat eindrucksvolle Aufnahmen von Jerusalem, dem Sees Genezareth, Tel Aviv-Jaffa und Nazareth mit nach Dresden gebracht. Nun präsentiert er seine Impressionen in der Weinbergkirche Pillnitz.

Justus Steinfeldt hat zudem eine besondere Vorgeschichte: Er wurde mit Grauem Star geboren, weshalb ihm im Alter von zehn Wochen die Augenlinsen entfernt werden mussten. Dank Kontaktlinsen erreicht er nun eine Sehstärke von 20%. Mit seiner Ausstellung möchte er uns neben den Eindrücken des Nahen Ostens auch seine eigene Sichtweise näherbringen.

Im Interview verrät der 22-jährige Dresdner, wie er seine Passion entdeckt hat, wie er die Welt sieht und wie es zur Ausstellung in der Weinbergkirche kam.

Justus, wie bist du zu deiner Leidenschaft, der Fotografie, gekommen?

Tatsächlich bin ich durch meine Sehbehinderung zur Fotografie gekommen.

In der Schule habe ich digital mitgeschrieben und immer eine Kamera dabei gehabt, um die Tafel zu digitalisieren und in meinen Hefter zu übernehmen. Das ist natürlich ein großer Punkt gewesen, der mich dazu gebracht hat, in die Fotografie einzusteigen.

In der siebten Klasse habe ich angefangen, mich mit der Bildbearbeitung zu beschäftigen und das Ganze künstlerischer zu begreifen und nicht nur zum dokumentarischen Tafelabfotografieren zu nutzen. Für eine Hausaufgabe habe ich zum Beispiel ein Flugzeug über den Schuleingang montiert.

Was macht dir beim Fotografieren denn am meisten Spaß?

Am Fotografieren macht mir am meisten Spaß, dass ich durch die abstrahierte Bildgestaltung und das Reduzierte, vor allem was den Bildaufbau betrifft, meine Sehbehinderung ausdrücken kann. So kann ich auch widerspiegeln, wie ich die Welt sehe, nämlich eher Farben und Formen und nicht so viele Details. Das ist wiederum witzig, weil ich ja vor allem Details fotografiere, um Dinge abstrahiert darzustellen.

Und speziell bei der Israelreise und der Ausstellung hat es mir viel Spaß gemacht, meine Eindrücke in Fotos zu verwandeln. Die moderne Architektur Israels hat mich sehr fasziniert. Ich war erstaunt darüber, wie viele Bauten, zum Beispiel die Weiße Stadt in Tel Aviv und die Verkündigungsbasilika in Nazareth, so modern daher kommen.

Kannst du noch näher beschreiben, wie du die Welt wahrnimmst?

Auf dem besseren Auge sehe ich zwanzig Prozent. Das heißt, ich muss fünfmal so nah herangehen, um eine Sache erkennen zu können. Dadurch habe ich aber auch einen kleineren Bildausschnitt, weil ich durch die Nähe zum jeweiligen Gegenstand weniger auf einmal davon sehe. Man kann das auch imitieren, indem man eine doppelt übereinander geschlagene Klarsichtfolie vor die Augen hält und durchschaut. Dann ist der Eindruck der Sehschärfe in etwa äquivalent.

Außerdem sehe ich zweidimensional, weil ich nur mit einem Auge zur gleichen Zeit schauen kann.

Und welche technischen Hilfsmittel hast du dir für das Fotografieren zugelegt?

Zum Einen habe ich eine Kameralupe für das Kameradisplay. Damit kann ich den Bildschirm 2,3-fach vergrößern. Dann kann ich natürlich noch mal mit der Kamera zoomen, um das Bild manuell scharfzustellen und auch den Bildausschnitt ganz genau festzulegen.

Zum Anderen nutze ich, wenn ich am Computer arbeite und mit den Bildern hantiere, immer eine Bildschirmlupe, die standardmäßig installiert ist. Damit vergrößere ich den Bildschirmausschnitt und kann schauen, ob alles scharf im Bild ist und wie was im Detail aussieht.

Bedeutet das für dich ein bestimmtes Vorgehen bei der Auswahl deiner Motive oder ist das eher intuitiv?

Die Frage ist sehr gut, weil sich das bei mir über die Zeit entwickelt hat. Vor fünf, sechs Jahren habe ich noch ganz viel geplant, habe geschaut, was ich wie fotografiere, wo, wann und zu welchem Sonnenauf- oder -untergang das Licht günstig sein könnte. Das mache ich inzwischen nur noch ganz ganz selten. Gerade auf Familienreisen passt es besser, wenn ich dort aufnehme, wo wir gerade sind und ich mich zum Beispiel nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlege.

Und was die Motivwahl ganz allgemein betrifft, fotografiere ich vor allem Architektur und lebe mich in diesem Bereich aus.

Hast du dich auch schon mal in Porträtfotografie versucht?

Zum Teil, ja. Meine Überlegung war es aber eher, mich zu spezialisieren – jetzt auf die Architekturfotografie, früher auch viel auf Landschaftsfotografie.

Dadurch kenne ich mich umso besser auf diesen Gebieten aus, als würde ich ganz breit gefächert arbeiten. Ich denke, es ist besser, wenn man mit einem Bereich beginnt, erst mal dort schaut, wie lange man das macht, was sich ergibt und was einem gefällt natürlich. Mit der Porträtfotografie habe ich also sehr selten zu tun.

Was war denn das beeindruckendste Motiv, das du bisher vor der Linse hattest?

Das war bei der Israelreise auf jeden Fall die Klagemauer, denn als ich das Bild aufgenommen habe, war gerade der Beginn des Sabbat. Da war eine ganz positiv-fröhliche Stimmung und die Menschen haben getanzt und das war natürlich spannend zu sehen.

Unabhängig von der Israelreise war das Blaue Wunder mit einem Schwan davor auf jeden Fall eins meiner schönsten Motive. Wobei es eigentlich die Situation war, denn es war früh morgens im Sommer, vielleicht halb fünf. Der Schwan wollte erst nicht zu mir kommen, ich stand schon im Wasser. Ich habe erst noch versucht, ihn mit Brotkrümeln anzulocken, aber das hat ihn nicht gereizt. Dann habe ich fünf Minuten gewartet, bis der Schwan von der Strömung vor meine Linse getrieben wurde. Es war natürlich schön, als ich gesehen habe, wie das aufgegangen ist, was ich damals noch geplant habe. Ich hatte die Vorüberlegung: um die Zeit ist Sonnenaufgang, von da kommt das Licht, dann noch ein Schwan davor, das könnte klappen.

Und wie kam die Idee zur Pillnitzer Ausstellung mit Motiven aus Israel?

Die Idee für die Ausstellung mit dem Thema Israel war lange gar nicht ganz klar. Vor allem, weil ich die Ausstellung auch schon ziemlich lange anders geplant hatte. Und zwar wollte ich den Kircheninnen- und Außenraum der Weinbergkirche fotografieren und im Kirchenraum selbst ausstellen. Die Idee hat sich aber geändert, nachdem ich im Dezember 2018 in Israel war. Und natürlich kam so die Möglichkeit, die drei Religionen Christentum, Islam und Judentum nebeneinander in einer Kirche als versöhnliches Signal präsentieren zu können. Hinzu kam, dass viele Mitglieder der umliegenden Kirchgemeinden ein paar Wochen vor mir für eine geführte Tour in Israel waren. Auch deshalb war es spannend, die Ausstellung in der Weinbergkirche zu machen.

Du hast also den Auftrag für die Ausstellung in der Weinbergkirche bekommen.

Das ist insofern ein dehnbarer Begriff, da ich keine auftragstypischen Abläufe wie zum Beispiel ein Briefing hatte, wo ich wusste, was gefordert war. Ich hatte ganz freie Hand und konnte sagen, welche Bilder ich möchte, wie ich sie hinhängen will und das Ganze gestalte. In der Weinbergkirche wird ja jedes Jahr über die Sommermonate eine Ausstellung durchgeführt. Und bei mir war es so, dass ich im Mai 2017 angesprochen wurde, ob ich das machen wolle und habe natürlich zugesagt. Dann ging alles seinen Gang und nun hängt’s!

Kannst du einen Ausblick auf künftige Projekte geben?

Im Mai war ich in Japan und arbeite gerade an den Bildern. Diese werde ich wahrscheinlich zunächst erst mal im Internet veröffentlichen. Im Oktober beginnt mein Duales Mediendesignstudium an der Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg mit dem Dresdner Partnerunternehmen Sandstein Neue Medien.

Außerdem habe ich einen Israel-Kalender für 2020 gestaltet, dessen Verkauf bereits begonnen hat.

Wer jetzt Lust hat, weitere Aufnahmen Israels von Justus Steinfeldt zu bewundern, der hat dazu noch bis zum 6. Oktober die Chance. Dort könnt ihr auch seinen Kalender erwerben und ihm eure Fragen höchstpersönlich stellen. Dazu nimmt er sich gern Zeit und erzählt euch zu einigen Fotos noch die ein oder andere Geschichte. Die Ausstellung ist am Wochenende und an Feiertagen von 13:00 bis 17:00 Uhr geöffnet.

Hier geht’s zu Justus‘ Website: https://justussteinfeldt-photography.de

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